Für Rudolf Steiner steht die Kunst gleich neben der Religion und ist wie letztere ein Quell für das Menschsein. Wie siehst du den Zusammenhang zwischen Kunst und Religion?
Zunächst muss ich sagen, dass ich jetzt alles vor allem nur aus der Sicht der Musik erläutern kann. Religion und Kunst… da sind die Übergänge fließend. In der Musik bewegt man sich in einem Raum, der nicht sichtbar, nicht greifbar, nicht materiell ist. Musik ist immer in Bewegung. Ich finde, die Musik ermöglicht immer einen Zugang zum Seelischen. Ich als Künstler bewege meine Seele und bringe dann hoffentlich die Seele des anderen zum Schwingen.
Kannst du noch etwas näher ausführen, was Religion und Kunst miteinander zu tun haben?
Singen hebt die Seele empor. Man fängt an, Dinge zu bewegen, die man sonst schwer in Bewegung bringt. Wahrscheinlich schafft das für den Menschen einen Zustand, in dem er Geistiges besser aufnehmen kann. Wenn man in der Gemeinde singt, öffnet man sich – Musik ist Schwingung – für die höheren Ebenen. Man kommt in Resonanz. Der Mensch ist das ‚Medium‘, das die Musik in die Welt bringt. Die ‚Idee‘ der Musik verwirklicht sich durch den Menschen und seinen seelisch-geistigen Zustand.
Du bist ja in der DDR geboren und bist dort aufgewachsen. Wie sind deine Erfahrungen mit diktatorischen Strukturen, wie werden Kunst und Musik da eingesetzt? Welche Rolle spielen sie?
Die Pioniere, FDJ, die Partei usw. hatten alle ihre Lieder. Die Musik hatte dort etwas Gemeinschaftbildendes – das ist jetzt ganz wertfrei zu betrachten. Musik fördert die Gemeinschaft und die Geselligkeit.
Wurde die Musik dort gezielt eingesetzt, um Menschen auf Parteilinie zu bringen?
Das hat man versucht, aber Musik lässt das letztendlich nicht zu. Es macht Spaß zu singen, aber sie macht keinen Kommunisten aus mir. Ihre Texte mögen ein Heimatgefühl, ein Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugen, ja. Aber eine Instrumentalisierung im Sinne einer politischen Beeinflussung ist nicht gelungen.
Wie würdest du das Verhältnis zwischen Musik und Freiheit beschreiben? Wie ist das in eher einschränkenden Gesellschaftssystemen, wie in freieren?
„Es ist interessant, dass in stark einschränkenden Systemen die Kunst oft einen höheren Wert und dadurch auch eine größere Kraft hatte. Sie wurde oft auch gefördert. Sie diente nach außen hin dann durchaus als Aushängeschild für die vermeintliche Stärke des Systems selbst. In der DDR hatte man durchaus auch das Bestreben, Musik für alle Schichten zugänglich zu machen. Auch für Bauern und Arbeiter, und eben nicht nur für eine Elite, wie das davor oft der Fall war. Musik wurde gefördert, es herrschte für die Musik so auch eine gewisse Freiheit.
In ‚freieren‘ Systemen – wie wir unseres heute bezeichnen würden – gibt es ein etwas anders gelagertes Problem: damit man in der Musik erfolgreich sein kann, braucht es ein bestimmtes Umfeld, um von ‚den richtigen im Business‘ gefördert zu werden, man braucht Geld, um einen guten Unterricht zu erhalten usw. Insofern ist die Musik heutzutage gerade in einer größeren Unfreiheit als in vorherigen Systemen, weil sie heute so stark finanziell vom Willen der Geldgeber abhängig ist. Es sind Beziehungen nötig, um Karriere zu machen.“